Eine Laufbahn Schritt für Schritt aufbauen
«Mit der Zeit merkt man: Doch, ich kann das!»
Nach dem KV erarbeitete sich Karin Stamm durch ihre Berufspraxis jeweils einen Erfahrungsvorsprung, bevor sie mit einer Weiterbildung nachdoppelte. Ihre Leidenschaft für Zahlen führte sie zum eidgenössischen Diplom als Expertin in Rechnungslegung und Controlling.
Frau Stamm, wie sind Sie zu den Finanzen als Berufsfeld gekommen?
Schon während der Grundbildung habe ich gemerkt, dass mir die Finanzen Spass machen. Nach der KV-Lehre ging ich zu einem kleinen, feinen Handelsbetrieb, ein Superjob zum Einsteigen. Drei Jahre später folgte die Riesenumstellung auf meinen heutigen grossen, internationalen Arbeitgeber. Recht schnell wurden mir Fach- und Führungsverantwortung übertragen. Als mich das Controlling zu interessieren begann, konnte ich die Leitung der Betriebsbuchhaltung übernehmen. Danach kam die Weiterbildung zur Fachfrau im Finanz- und Rechnungswesen und dann unsere Familiengründung.
Heute sind Sie Finanzchefin der Schweizer Gesellschaft Ihres Konzerns. Wie kam es dazu?
Wir hatten eine lebhafte Zeit mit Restrukturierungen, einem Umzug, der Auslagerung von Prozessen ins Ausland. Diese Entwicklung ermöglichte mir weitere Karriereschritte. Als wir 2011 ein englisches Unternehmen kauften, bot man mir an, es von seinem Schweizer Sitz aus als Finanzchefin in die Integration zu führen. Gleich nach meiner Rückkehr wurde der Posten als Finanzchefin von Mondelez Schweiz frei.
Wie entstand der Entscheid, die Controller-Ausbildung zu machen?
Als im Geschäft kein Grossprojekt, keine Restrukturierung oder Akquisition anstand, konnte ich mir Zeit für die Weiterbildung freischaufeln. Es war eine Herausforderung, intern zu erklären, was ich vorhabe, da das duale Bildungssystem mit all seinen Möglichkeiten bei uns in der Firma praktisch unbekannt ist.
Neben dem Know-how-Gewinn aus der Weiterbildung: Was bringt Ihnen Ihr neuer Titel?
Verbriefte Kompetenz. Jetzt besitze ich ein Diplom, das beweist, was ich kann. Mein Praxisrucksack ist ziemlich breit und gut gefüllt. Dieses Wissen ist durch die Schule bestätigt worden. Das gibt mir zusätzliches Selbstbewusstsein im Job.
War es für Sie jemals ein Thema, einen akademischen Bildungsweg einzuschlagen?
Bisher nicht. Mit der Kombination aus Praxis und schulischem Wissen kann ich einer Firma sogar einiges mehr bringen als jemand, der ausschliesslich vom Studium her kommt. Die Praxis ist in einem solchen Job viel wichtiger als das initiale Studium. Eine akademische Weiterbildung wäre aber ein neuer Reiz mit neuen Herausforderungen.
Im Nationalen Qualifikationsrahmen Berufsbildung (NQR) ist Ihre Ausbildung auf dem höchstmöglichen Niveau 8 eingestuft worden. Welche Bedeutung hat das für Sie?
Das ist eine Bestätigung, auf die richtige Karte gesetzt zu haben. Meine Ausbildung wird als gleichwertig zu einem Studium mit Masterabschluss anerkannt. Bei einer Jobsuche ist das ein gutes Argument.
Braucht es für eine Expertenausbildung klare Karriereziele?
Ich denke schon. Beim Fachausweis geht es viel um technisches Wissen. Da will man verstehen, was wie funktioniert: ein Delkredere, verschiedene Abschreibungsvarianten, das Rechtssystem, die Möglichkeiten einer Betreibung usw. Das ist eine sehr solide Ausbildung, mit der man ein KMU als Finanzchefin leiten kann. Soll es strategischer werden, will man eine grössere Firma führen und mehr Einblicke ins Controlling haben, dann ist die Expertenausbildung das Richtige.
Lassen sich solche Entscheidungen Schritt für Schritt treffen?
Absolut. Der Wunsch, die Leiter hochzukommen, war bei mir zwar schon immer da. Nach dem KV hatte ich aber noch keinen Plan und nach dem Fachausweis standen erst mal Familie und Tochter im Vordergrund – der Bildungshunger hat pausiert. Vor ein paar Jahren kamen die Gedanken an eine neue Weiterbildung auf. Was ich mir früher nicht zugetraut hätte, war plötzlich gar kein so grosser Schritt mehr. Mit der Zeit merkt man: Doch, ich kann das! So kann sich eine Laufbahn Schritt für Schritt entwickeln.
Glück in Kombination mit viel Können und Wollen
Seit Februar 2012 ist Karin Stamm Geschäftsleitungsmitglied und Financial Controller (Finanzchefin) von Mondelez Schweiz in Glattbrugg, der Schweizer Gesellschaft eines amerikanischen Lebensmittelkonzerns. Nach der KV-Lehre bildete sie sich sukzessive zur Sachbearbeiterin Rechnungswesen, zur Fachfrau im Finanz- und Rechnungswesen (eidg. Fachausweis) und zur Expertin in Rechnungslegung und Controlling (eidg. Diplom) weiter.